Größenwahn als Karriere-Booster
Manch einer wurschtelt ewig vor sich hin und kommt nicht vorwärts. Wir haben Träume und Ideen, die wir niemals umsetzen, weil wir Babyschrittchen gehen und uns immer wieder von unserem Vorhaben abbringen lassen. Vielleicht ist das dann doch nicht der Weg der Wahl? Habt ihr mal überlegt, dass die richtige Dosis Größenwahn euch beruflich und im Leben voranbringen kann?
Foto: Corinna Dumat / pixelio.de
Bescheidenheit ist eine Zier
Diesen Satz haben vermutlich viele Menschen - vornehmlich Frauen - in ihrer Kindheit und Jugend gehört. Als Emanzipation und gesunder Menschenverstand in unseren Köpfen Einzug hielten, wurde obenstehende Behauptung trotzig und grammatikalisch falsch mit und besser geht es ohne ihr! vervollständigt. Im Prinzip wissen wir also, worauf es ankommt.
Und trotzdem stellen nach wie vor viele Menschen ihr Licht unter den Scheffel und machen sich absichtlich klein. Natürlich auch das wieder eine Frauendomäne. Eine Autorin, die nicht laut sagt, dass sie eine ist, weil es ihr angeberisch vorkommt - ich behaupte einfach mal, dass Männer sich über so etwas keine Gedanken machen, oder nur ganz selten. Die tröten das fröhlich vor sich hin und machen deutlich, was das Gegenüber davon bitte zu halten habe. Schon klar, es gibt Männer die das auch nicht tun, aber manchmal müssen wir eben verallgemeinern um Dinge zu verdeutlichen. Und jeder von uns kennt diese Herren, die ihren beruflichen Status ständig jedem unter die Nase reiben.
Selbstverständlich wollen wir nicht mit solcher Penetranz vorgehen, denn es ist ja nicht unser erklärtes Ziel uns bei allen unbeliebt zu machen. Aber ein bisschen mehr Selbstbewusstsein und weniger Bescheidenheit (siehe oben) stünde uns Mädels grundsätzlich besser zu Gesicht.
Babyschrittchen
Jeder hat es schon gehört: Wenn wir ein Ziel erreichen wollen, sollen wir Zwischenschritte definieren, die einfach zu erreichen sind, damit wir nicht frustriert sind, wenn wir es nicht schaffen. Ich nenne es immer Babyschrittchen, nach dem Buch "Babyschritte", das Richard Dreyfuss als Psychiater in dem Film Was ist mit Bob? dem Patienten Bill Murray in die Hand drückt.
Manch einem mögen diese winzigen Teilabschnitte tatsächlich helfen, voranzukommen. Vielleicht erreicht auch ihr damit irgendwann euer Ziel. Die Taktik ist ja nicht grundsätzlich schlecht. Aber häufig ist schon die Zieldefinition zu bescheiden oder zu schwammig.
"Ich will hier rein!"
soll Gerhard Schröder der Legende nach gesagt haben, als er am Zaun vor dem Bundeskanzleramt gerüttelt hat. Wir alle wissen: Er ist Bundeskanzler geworden. Hätte er nur gesagt: "Ich will Politiker werden." (zu schwammig) oder "Ich möchte erstmal im Gemeinderat sitzen, und dann kann ich ja weiter sehen." (zu bescheiden), dann hätte er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit niemals die Geschicke unseres Landes gelenkt.
Am Schröder-Beispiel kann man daher zwei Dinge lernen. Wir müssen
- Ziele klar definieren
Einfach sagen: "Ich will Politikerin / Schauspielerin / Sängerin werden", klingt zwar im Prinzip schon recht größenwahnsinnig, ist aber nichts weiter als eine hohle Phrase, wenn keine konkrete Planung dahintersteckt. Auch beliebt: "Ich will mal ein Buch schreiben!"
- große Brötchen backen
"Ich will Bundeskanzler werden!", klingt zwar völlig plemplem, aber bei Licht betrachtet: Irgendjemand macht den Job ja immer. Warum also nicht Gerhard Schröder oder Lieschen Müller? Und wenn der Kanzlerplatz besetzt ist, gibt es immer noch den Vizekanzler, Parteivorsitzenden, Bundespräsidenten ...
Nicht kleckern sondern klotzen
Nun könnte man sagen, ihr könntet das Ziel "Bundeskanzlerin" auch irgendwie erreichen, indem ihr erstmal im Gemeinderat sitzt. Stimmt. Hocharbeiten ist sinnvoll; mitunter ist es sogar der einzig gangbare Weg, alle Stationen zu durchlaufen, bis man oben angekommen ist. Aber: Es kommt auf die Einstellung an. Denkt bitte nochmal an den Satz oben:
"Ich möchte erstmal im Gemeinderat sitzen, und dann kann ich ja weiter sehen."
Klingt das nach der zukünftigen Bundeskanzlerin?
"Ich habe mich an einer Schauspielschule beworben. Hoffentlich nehmen sie mich!"
Klingt das nach der nächsten Oscar-Preisträgerin?
"Ich möchte Gesangsunterricht nehmen. Vielleicht finde ich dann eine Band."
Klingt das nach der nächsten Madonna?
Nicht wirklich. Das sind nämlich keine Pläne, das sind Absichtsbekundungen, mit einem unausgesprochenen "Es ist völlig unwahrscheinlich, dass ich mehr erreiche als Abgeordnete im Gemeinderat zu sein / an der Schauspielschule angenommen zu werden und ein paar kleine Rollen zu bekommen / meine Stimme fürs Singen unter der Dusche zu verbessern."
Fehlende Fallhöhe
Bei diesen Absichtsbekundungen fehlt nämlich die Fallhöhe. Wir riskieren absolut nichts, wenn wir es so machen, wie in den Beispielen oben. Wir sitzen in unserer Komfortzone und können bei jedem der Beispiele sagen: "Und wenn es nicht klappt, dann ist das auch nicht schlimm."
Das ist wahrlich nicht der Satz, mit dem Helden beschrieben werden.
Bleiben wir bei Politik und den Schönen Künsten: Wenn es unser erklärtes Ziel ist, Bürgermeisterin der Stadt Offenburg zu werden, dann werden wir nicht nur für den Gemeinderat kandidieren, sondern zusehen, das wir besonders viele Aufgaben übernehmen und uns gleichzeitig möglichst viel im Dunstkreis des bisherigen Bürgermeisters herumtreiben.
Wenn wir Sängerin in einer Band werden wollen, die so erfolgreich wird, dass sie auch die Aufmerksamkeit unserer Lieblingsband auf sich zieht, dann werden wir so viel wie möglich über das Musikgeschäft in Erfahrung bringen, Songs schreiben, uns da herumtreiben wo Musiker sind, und wenn wir nicht mit Freunden eine Band gründen (was ohnehin böse schief gehen kann), Musiker engagieren (und bezahlen!), die unsere musikalischen Ideen gemeinsam mit uns umsetzen. Heißt: Wir gehen mit ihnen ins Studio und auf Tour.
Und wir schicken ein Mixtape an unsere Lieblingsband und suchen Leute, die irgendwie mit dieser Band in Kontakt stehen. Und wenn die Chemie und die Musikrichtung stimmt, können wir unsere Vorbilder irgendwann supporten und von da aus unseren Erfolg weiter vorantreiben.
Mut zum Risiko
Merkt ihr was? Erfolg ist mit Arbeit verbunden. Und mit Risiken. Entweder mit dem Risiko, ganz böse irgendwo abzublitzen und sich womöglich lächerlich zu machen, oder aber mit finanziellem Risiko (im schlimmsten Fall tritt beides ein). Genau das ist aber die Fallhöhe, von der ich sprach. Wenn ihr einen hohen Preis einsetzt, der euch richtig wehtut, werdet ihr auch alles daran setzen, das Ziel zu erreichen. Wenn es nur ein Wischiwaschi-Ziel ist, arbeitet ihr immer mal ein bisschen daran, aber nicht mit dem nötigen Biss. Und so wird das nüscht.
Selbst wenn euer Ziel nicht "Bundeskanzler werden" ist, könnt ihr die Fallhöhe erhöhen, indem ihr folgende Tricks anwendet:
- sagt laut, was ihr vorhabt
Je mehr Menschen von eurem Vorhaben wissen, desto peinlicher ist es, wenn ihr das Ziel nicht erreicht.
- setzt euch Deadlines
Wenn ihr schon dabei seid, aller Welt zu erzählen, was ihr tut, kommuniziert auch, bis wann ihr es erledigt haben werdet. Ihr benötigt für eine Aufgabe immer genau so viel Zeit, wie ihr zur Verfügung habt, wie ich bei den Zeitmanagement-Tipps für Mütter schon ausführte. Also setzt die Deadline eng und redet darüber. Am besten ist es, wenn ihr mit einer oder zwei anderen Personen ausmacht, dass sie euch auf die Füße (oder in den Hintern) treten sollen, damit ihr es auch schafft.
Überhaupt ist es gut, wenn ihr einen Begleiter habt und nicht alles mit euch alleine ausmacht, weil ihr bei der Alleine-Variante dazu neigen werdet, euch alles ein bisschen zurechzuschummeln. Also
- sucht euch einen Coach.
Das kann ein professioneller Coach sein, der Geld kostet (Fallhöhe!). Nach welchen Kriterien ihr euren perfekten Coach aussucht, habe ich hier beschrieben. Das kann aber auch eine gute Freundin sein oder eine andere Mutter, die gerade auch dabei ist, ein Ziel zu erreichen. Dann könnt ihr euch gegenseitig die Kinder abnehmen, wenn es zum Erreichen des Ziels notwendig wird und ihr könnt euch gegenseitig coachen. Das bedeutet beispielsweise auch, die richtigen Fragen zu stellen, damit die andere Mama in die Spur kommt.
Oder ihr schließt einen Vertrag: Wenn ich mein Ziel (konkret formuliert, auch, was man dafür tun will, um es umzusetzen) bis zu einem bestimmten Termin nicht erreicht habe, spende ich eine Summe X (die weh tun sollte - siehe Fallhöhe!) der wohltätigen Organisation Y.
So funktioniert beispielsweise die 77-Tage-Challenge von Textine Heide Liebmann (Coach und Motivationstrainerin), an der ich gerade teilnehme. Da ist alles vorhanden: ein Anreiz (man kann Geld zurück erhalten), soziale Kontrolle durch die anderen Teilnehmer und Diskussionen im Forum, auf Wunsch ein Tadempartner (für noch intensiveres auf die Füße treten) und der finanzielle Schmerz, den ich durch eine Spende erleide, wenn ich das Ziel nicht erreiche.
Aus Fehlern lernen
Übrigens, wer aus großer Höhe mit einem Traum so richtig auf die Fresse gefallen ist, ist auch eher bereit, noch einmal einen neuen Anlauf zu wagen, Stichwort: Scheitern als Chance. Vielleicht mit einer anderen Zieldefinition, einem anderen Geschäftsmodell. Auf jeden Fall, werden "große Scheiterer" ihre alten Fehler nicht wiederholen. Das erhöht die Chance darauf, beim nächsten mal zu den Siegern zu gehören.
Worauf wartet ihr noch?
Also los, formuliert euer - in euren Augen - größenwahnsinniges Ziel, setzt eine Deadline und überlegt was ihr in welcher zeit dafür tun müsst, um dort anzukommen, wo ihr hin müsst. Denkt euch eine Strafe aus, teilt sie anderen mit (ein großer Zettel am Küchenschrank mit eurem "Zielerreichungsvertrag" kann auch helfen, so lange ihn nur genügend Menschen sehen) und hängt euch voll rein.
Wir brauchen nämlich dringend eine neue Kanzlerin ;-)
# Link | Petra A. Bauer | Dieser Artikel erschien am Montag, 07. Oktober 2013 um 07:29 Uhr in KARRIERE, (Wieder)Einstieg
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Tags: Ziele, Wie erreiche ich mein Ziel, Planung, kleine Schritte, größenwahnsinnig, Größenwahn, Fallhöhe

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