Kunst kommt von Ausprobieren
Ob mit oder ohne Kind, ihr kennt das sicher, zumindest falls ihr ebenso strubbelig veranlagt seid, wie viele Kreative (ADS lauert hier auch sehr häufig): Das, was ihr üblicherweise den ganzen Tag tut, langweilt euch an manchen Tagen zu Tode und ihr fangt an zu prokrastinieren. Oder, um es mal weniger neudeutsch auszudrücken: ihr vertrödelt eure Zeit mit Dingen, die garantiert nichts mit eurer Arbeit zu tun haben. Oft sind das Facebook & Co oder der Hausputz, vor dem ihr euch sonst drückt. Aber es geht auch anders. Ihr könnt nämlich durchaus produktiv prokrastinieren:
Pabbles meint, man sollte öfter mal das Medium und den Standort wechseln. Wohl dem, der mehrere unterschiedliche Dinge kann - derjenige kann produktiv prokrastinieren! | Zeichnung: Petra A. Bauer 2015
Ich muss dabei oft an den Komiker FIL denken. Wobei Komiker (man würde das inzwischen vielleicht auch Comedian nennen, aber FIL ist cooler) den Kern der Sache gar nicht trifft. Denn ursprünglich kannten wir FIL seit über 30 Jahren als den Comiczeichner des Kult-Comics Didi & Stulle aus dem Berliner Stadtmagazin ZITTY. Dass er sogar auf unsere Schule ging, ist eine andere Story und soll ein andermal erzählt werden. Oder auch nicht.
Bei seinen Bühnenauftritten ist er nicht nur gelegentlich "Bauchredner" mit seiner Hai-Handpuppe Sharkey (Anführungszeichen deshalb, weil er keinen Hehl daraus macht, dass er nicht mit dem Bauch, sondern mit dem Mund redet, aber das Ganze hat voll Stil und soll so.), sondern tritt mit seiner Gitarre auch als Musiker auf. Als Teil der Show, versteht sich. Teilweise ottoesk (auch Otto hat Lieder gelegentlich nicht zu Ende gebracht *g*), aber weiter entwickelt. Ihr seht, Ich bin Fan :-)
(Und ich vergaß: Buchautor ist er inzwischen auch!)
In dieser Eigenschaft treffen wir uns mit ihm gerne nach seinen Auftritten. Einmal besuchten wir aber auch in Prenzlberg die Vernissage einer Ausstellung seiner Original-Comiczeichnungen. Und als wir so am Reden waren, sagte er diesen denkwürdigen Satz (sinngemäß und mit starkem Berliner Akzent):
"Ich bin so froh, dass ich nicht nur auf der Bühne stehe. Und dass ich nicht nur zeichne oder nur Musik mache. So kann ich immer, wenn ich beispielsweise keine Lust habe, meine Bühnenprogramm auszuarbeiten, stattdessen zeichnen. Und wenn der nächste Abgabetermin für Didi & Stulle naht, denke ich mir was Lustiges für Sharkey aus oder studiere was Neues auf der Gitarre ein. Ich würde verrückt werden, wenn ich nur eine Sache tun dürfte."
MEHRERE SEELEN WOHNEN - ACH! - IN MEINER BRUST.
Ich verstehe ihn so gut!
Ich bin ja eigentlich Autorin. Also ganz eigentlich Stadtplanerin, aber das zählt nicht mehr so wirklich, auch wenn das Diplom dazu über meinem Bett hängt (ja, echt *g*). Also Autorin. Aber eben auch Bloggerin, früher Journalistin, Herausgeberin dieses Magazins und ständig fallen mich neue kreative Ideen an, die ich irgendwie in meine berufliche Tätigkeit einfließen lasse, und die z.T. andere Medien benötigen als den Computer zum Schreiben.
In letzter Zeit habe ich aus diversen Gründen ein wenig meinen Fokus verloren und es schien mir Zeit zu sein, endlich darüber nachzudenken, wie es weitergehen soll. Unter der Überschrift: Meine Karriere - wat nu? habe ich dazu gebloggt, aber zuvor habe ich so etwas wie eine Sketchnote-Mindmap angefertigt.
Diese sollte dazu dienen, mir über meine Wünsche und Fähigkeiten klar zu werden. Ich kann das zur Neu-Orientierung (oder Überhaupt-Orientierung, wenn ihr noch ganz am Anfang eurer Berufsfindung steht) sehr empfehlen. So habe ich beispielsweise Folgendes überlegt:
ZIELFINDUNG
- Was tue ich normalerweise?
- Was würde ich gerne tun?
- Welche Tätigkeiten machen mir Spaß, ohne dass ich unbedingt einen Beruf daraus machen möchte?
- Womit hatte ich bereits Erfolg?
- Welche Dinge habe ich gemacht, die die Leute mochten? (besonders beliebt in meinem Texterinnen-Netzwerk waren meine Berliner-Mundart-Kolume mit der Weddinger Portierfrau Erna Pachulke, die Comicfigur Pabbles (siehe oben und LInk weiter unten) und dass ich den Mut hatte zwei Songs zu schreiben, zu arrangieren und zu singen, obwohl ich das vorher noch nie gemacht hatte.
- Womit habe ich bisher am ehesten Geld verdient?
- Wo ist das finanzielle Potenzial grundsätzlich am aussichtsreichsten?
- Was hat mich am glücklichsten gemacht?
Und so weiter.
Diese und andere Dinge habe ich aufgeschrieben bzw. aufgezeichnet. Und irgendwann kristallisierten sich Schnittmengen heraus. Tätigkeiten, die ich mag und mit anderen Tätigkeiten verbinden kann, die ich ohnehin schon mache. Sodass ich vieles von dem, was ich mag unter einen Hut bringen und dann ebenso produktiv prokrastinieren kann, wie FIL ;-)
Dass ich nicht alles von dem, was ich gerne tue, vollkommen perfekt beherrsche, steht auf einem ganz anderen Blatt.
LEBENSLANGES LERNEN
Die gewählte Überschrift "Kunst kommt von Ausprobieren" zeigt es ja schon: Wenn ihr etwas gerne machen möchtet, probiert es aus! Erstens ist Scheitern auch eine wichtige Erfahrung im Berufsleben ;-) und zweitens - wer sagt denn, dass ihr durch ständiges Üben nicht letztlich sogar richtig gut werdet, auch wenn ihr jetzt noch Anfänger seid. Es ist noch kein Hirnchirurg vom Himmel gefallen.
Ihr müsst neue Fähigkeiten auch nicht sofort mit eurem Berufsfeld verknüpfen. Das kommt auch ganz auf euer eigentliches Tätigkeitsfeld und euren Anspruch an. Aber ihr könnt darauf hinarbeiten. Dann müsst ihr auch kein schlechtes Gewissen haben, wenn ihr an euren neuen Fähigkeiten feilt. Denn irgendwann soll es ja funktionieren.
SICH DIE ERLAUBNIS ERTEILEN
Manchmal braucht ihr erst ein Erfolgserlebnis, und sei es auch noch so klein, um euch selbst die Erlaubnis zu erteilen, das zu tun, was ihr gerne neu ausprobieren möchtet. Es hat beispielsweise sehr lange gedauert, bis ich sagen konnte "Ich bin Autorin" und dann ohne schlechtes Gewissen an meinem Manuskript schreiben konnte. Das "kleine Erfolgserlebnis" war in diesem Fall ein unterschriebener Verlagsvertrag ...
(Zwischenfrage: Wieso glaubt niemand sich die Erlaubnis fürs Zeit vertrödeln bei Facebook einholen zu müssen? Stattdessen hängen wir mit schlechtem Gewissen davor.)
Aber es geht auch anders. Pabbles zum Beispiel, hat einen echten Fan ("Huhu, Tanja!"). Nicht 1.000 wahre Fans, aber auch dieser eine Fan hat mich immer wieder dazu ermutigt, mal wieder etwas Neues zu zeichnen. Es war auch heute die Legitimation für mich, dieses Posting mit einem Pabbles-Cartoon zu illustrieren. Auch wenn ich dies mit sehr einfachen MItteln tue und es sicher nicht perfekt ist - es macht mr höllischen Spaß und man kann erkennen, dass es sich um die gleiche Figur handelt, wie vorher.
Letztlich hat überhaupt erst das spielerische Beschäftigen mit dieser Zeichnung dazu geführt, dass ich dieses Posting geschrieben habe. Das war nämlich ursprünglich gar nicht der Plan, aber Kreativität - und produktive Prokrastination - geht eben ihre eigenen Wege. Hätte ich nicht gezeichnet und das Bild am Computer bearbeitet, wäre das Posting nicht entstanden und ich wäre vermutlich seit zwei Stunden im Bett und würde lesen oder TV Total gucken (das höre ich die ganze Zeit im Hintergrund. Ich bin inzwischen ziemlich gut im Shows, Fußballspiele und Filme HÖREN *g*)
So. Ihr habt die Message verstanden? Probiert neue Dinge aus und schaut, ob ihr sie mit eurem Beruf(swunsch) verknüpfen könnt, damit ihr nicht immer den Keller aufräumen müsst, um euch vor einem Abgabetermin zu drücken.
Habt ihr schon eine produktive Prokrastinationstätigkeit für euch entwickelt? Mögt ihr verraten, um was es sich handelt?
Übrigens: Mehr von Pabbles findet ihr hier. Damals trug sie noch keine Brille. Wir werden eben alle älter ;-)
# Link | Petra A. Bauer | Dieser Artikel erschien am Mittwoch, 27. Mai 2015 um 22:19 Uhr in KARRIERE, Business, Kreativitätstechniken
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Tags: zeit vertrödeln, Prokrastination, mehrere Fähigkeiten, Kreativität, FIL TEGERT, Beruf, Abwechslung, abwechseln
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