Work-Life-Bullshit
Wenn es um das Thema Arbeiten geht, tauchen im selben Atemzug auch immer Mahner auf, die sagen, man solle darauf achten, sich nicht zuviel zuzumuten. "Überarbeite dich nicht!", sagen sie. "Achte auf deine Work Life Balance, sonst droht der Burnout!" Das klingt irgendwie schon nach Buzzwords für Bullshit-Bingo, und - wer weiß? - vielleicht hat Thomas Vašek seinen Ratgeber auch deshalb Work Life Bullshit genannt.
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Mag sein, dass das mit hineingespielt hat, aber es ist natürlich klar, dass der Autor meinte, das Gerede von Work Life Balance sei Blödsinn.
Dass man immer schön darauf achtet, neben der Arbeit genügend Freizeit zu haben, setzt voraus, dass Arbeit und Freizeit klar getrennt sind: Wir sitzen im Büro oder auf dem Gabelstapler, machen da irgendwas, das halt getan werden muss und freuen uns lautstark, wenn endlich Feierabend ist. Und noch lauter freuen wir uns am Wochenende. Und je größer der Anteil ist, den wir in der Freizeit mit Erholung verbringen, desto ausgeglichener ist das Verhältnis von Arbeit zu Leben.
Denn so heißt es doch: Work - Life. Nicht: Work - Leisure-time. Und der Untertitel des Buches heißt auch nicht umsonst:
Warum die Trennung von Arbeit und Leben in die Irre führt
Im Klartext würde das aber bedeuten, dass wir nicht leben, wenn wir arbeiten. Aber wenn es wirklich so sein sollte, dass wir die Arbeit nur ertragen und uns das Leben für den Feierabend oder - noch schlimmer! - für die Rente aufsparen, dann sollten wir uns mal im Spiegel betrachten, und uns fragen, ob nicht etwas ganz gründlich schief läuft.
Möglicherweise konnte man diese Maßstäbe in früheren Jahrzehnten ansetzen, als es in weiten Teilen der Bevölkerung wirklich nur darum ging, das Land nach dem Krieg wieder aufzubauen und hungrige Mäuler zu stopfen. Doch in eine Zeit, in der man alles Arbeit nennen kann, egal, wie viel Spaß es macht (ihr erinnert euch: Joy is not the enemy of work!), passt das nicht mehr hinein.
Ehrlich mal: Würde ich meine Arbeit als Nicht-Leben definieren, dann säße ich nicht um 22:30 Uhr hier inmitten von Klavier- und FIFA13-spielenden Jugendlichen und würde an diesem Beitrag arbeiten, der als Buchtipp konzipiert war, sich aber mehr und mehr mit eigenen Betrachtungen füllt.
Stattdessen würde ich vielleicht auch FIFA13 spielen, zum Klavierspiel meiner Tochter singen oder in Magazinen blättern und dabei von Dingen träumen, die ich machen würde, wenn ich - ja, was?- Freizeit hätte? Oder genug gearbeitet hätte um mir das leisten zu können, wovon ich lese?
Liebe was du tust!
Nicht, dass ich nicht auch gerne mal chille, und bei einer Tasse Kaffee irgend etwas Sinnfreies mache. Oder in den Urlaub fahre, ins Kino gehe. Und natürlich beklage ich mich auch mal über zu viel Arbeit, enge Deadlines, etc.
Aber ich liebe, was ich tue, deshalb habe ich normalerweise nicht den Eindruck, dass es ARBEIT ist, womit ich diese Zeit verbringe. Dieses Magazin gehört zu meinem Leben, genau wie die Bücher, die ich schreibe.
So sagt Thomas Vašek - womit wir endlich wieder bei seinem Buch wären - dass die eigentliche zentrale Herausforderung der Gesellschaft, die Veränderung der Arbeit ist, bei der Politik und Wirtschaft gefragt sind. Damit jeder eine Arbeit findet, die zu ihm passt und wo er sagen kann: "Meine Arbeit fühlt sich gut und richtig an, sie motiviert mich Tag für Tag, sie bringt mich voran."
Vašeks These lautet:
Arbeit ist existenziell. Wir brauchen nicht weniger, sondern mehr davon, sinnvolle, gute Arbeit, die unseren Fähigkeiten und Bedürfnissen entspricht. Für gute Arbeit müssen wir auf die Barrikaden gehen - nicht für mehr Freizeit.Es geht nicht darum, früher Feierabend zu machen, sondern den Arbeitstag besser zu gestalten. Der beste Schutz vor Burnout ist Arbeit, die zu einem passt.
Oder, mit meinen Worten: Wenn man seine Arbeit liebt, empfindet man sie nicht als Arbeit. Politik und Wirtschaft müssen es also möglich machen, dass jeder den Arbeitsplatz bekommen kann, der zu seinem Wesen und seinen Interessen passt.
Es soll ja auch glückliche Finanzbeamte geben und Mitarbeiter der Stadtreinigung, die in ihrem Job völlig aufgehen. Nur weil wir uns nicht vorstellen können, dass für uns lästige Arbeit anderen Menschen Spaß machen kann, heißt es ja nicht, dass es diese Menschen nicht gibt. Und nur, weil man seine eigene Arbeit als Belastung empfindet, heißt es nicht, dass es nicht genau den Job für uns gibt, den wir nicht als mühselig, sondern als erfüllend ansehen und Spaß daran haben. Man muss "nur" für jeden Topf den passenden Deckel finden. Was natürlich nicht immer einfach ist, v.a. wenn man sich ohnehin in einem finanziell engen Rahmen befindet. Hier müsste man dann risikobereit oder kreativ sein um eine Lösung zu finden.
Wie das grundsätzlich gehen könnte, dazu hat der Autor sich Gedanken gemacht. Ob es in der Realität so umsetzbar ist, dass wir hinterher das gewünschte Ergebnis erhalten, bliebe abzuwarten. Mit einem aber hat er auf jeden Fall recht: "Die Verantwortung für gute Arbeit liegt auch beim Individuum."
Ein letzter Gedanke von mir dazu: Wenn Vašeks schöne neue Arbeitswelt für alle Menschenim arbeitsfähigen Alter funktionieren würde, dürfte es - nach einer umfangreichen Umverteilung der Arbeitsplätze - im Prinzip auch kaum noch Arbeitslose geben. Bis dahin ist es jedoch noch ein weiter Weg.
Auf jeden Fall sind diese Ausführungen interessant zu lesen und regen ganz offensichtlich zum Nachdenken an. Euch auch? Was meint ihr dazu? Wir freuen uns auf eure Meinung zum Thema ganz unten im Kommentarbereich.
Ich mache jetzt trotzdem Feierabend, denn Schlaf gehört auch zum Leben dazu, und der fordert gelegentlich sein Recht.
Work-Life-Bullshit: Warum die Trennung von Arbeit und Leben in die Irre führt
Thomas Vašek
Riemann Verlag (2. September 2013)
288 Seiten
ISBN: 3570501531
# Link | Petra A. Bauer | Dieser Artikel erschien am Donnerstag, 05. September 2013 um 00:41 Uhr in KARRIERE, Arbeitsplatz, FREIZEIT, Bücher, Filme & Musik
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